Im Val Verzasca schießt das Wasser in smaragdgrüner Farbe im Nu hinunter in Richtung Lago Maggiore, doch wer als Tourist in dieses Tal kommt, sollte es alles andere als eilig haben. Es ist ein wilder Einschnitt ins Gebirge, das Val Verzasca im Süden des Tessins, an der Grenze von der Schweiz zu Italien. Wer hier aus Richtung Süden im Tal ankommt, wird als erstes der riesigen Staumauer des Wasserkraftwerks gewahr, die mit 380 Metern Länge und 220 Metern Höhe in gewaltiger Größe die Schlucht beherrscht.
Das Mauerwerk bildet einen der höchsten Staudämme in ganz Europa, und dementsprechend bietet sich von oben aus ein grandioser Blick auf die Klamm. An schönen Tagen allerdings sind hier oben viele Menschen unterwegs, die nicht direkt an der Aussicht interessiert sind – sondern vielmehr an der Höhe des Damms und was sich damit anfangen lässt. Es sind Bungee-Springer, die die enorme Höhe der Staumauer zu verwegenen Sprüngen nutzen. Eben jene Dammhöhe macht es übrigens möglich, dass hier die höchsten Bungee-Swings der Welt ausgeführt werden können.
Ponte die Saltri - eine im Mittelalter gebaute Brücke
Wer es etwas gemächlicher mag, der wandert auf dem Sentierone, einem immer am Fluss entlang laufenden Weg, von Vogorno – dem Hauptort des Val Verzasca – aus talaufwärts in Richtung Corippo, ein kleines Dorf, das in abschüssiger Lage in die Berge hineingebaut wurde und seit 1975 denkmalgeschützt ist.
Ein Stück weiter hinauf entgegen der Fließrichtung der Verzasca stößt man auf eine im Mittelalter gebaute Brücke, den Ponte die Saltri. Kurz dahinter erwartet den Wanderer in Brione die schöne Kirche Santa Maria Assunta mit Fresken aus dem 14. Jahrhundert. Und wer sich für die Menschen im Tal und die Geschichte und Geschichten im Val Verzasca interessiert, steigt noch ein Stück talaufwärts bis in das letzte Dorf, Sonogno. Ein antikes Bauernhaus, die Casa Genardini, wurde dort zu einem keinen Museum umgebaut, dem Museo di Val Verzasca.
Im „grünen Herzen“ des Tessins
Bis in das 19. Jahrhundert hinein war das Val Verzasca relativ dicht besiedelt. Als die Industrialisierung den Norden Italiens erfasste, machten sich viele Talbewohner als Saisonarbeiter über die kalten Monate auf in die Industriezentren, nach Turin und Mailand, und nach und nach gingen die Familien dauerhaft mit, bis das Tal weitgehend entvölkert war.
Erst in der jüngsten Vergangenheit siedelten sich im Val Verzasca wieder Menschen an, die meisten von ihnen allerdings unterhalten einen Zweitwohnsitz für die Sommerzeit. In wunderschöner Landschaft, im „grünen Herzen“ des Tessins, finden sich viele stille Zeugen der Vergangenheit, die zeigen, dass früher das Leben im Val Verzasca ein hartes war. Von der Farbe des Verzasca-Flusses erzählt man sich, dass noch nie „ein Künstler ein so wunderbares Grün gemalt“ habe, und nie hätte dieser Künstler auch nur vermuten können, dass ein solches Grün existiert.
Wanderungen im Val Verzasca
Wer auf der Suche nach einem anspruchsvollen Wanderrevier ist, der ist im Val Verzasca bestens aufgehoben. In der Umgebung nämlich verläuft die Via Alta della Verzasca, eine mehrtägige und nicht immer einfache Tour entlang der Gipfel, die das Tal säumen. Zwei der vier Tagesetappen sind von höchstem Schwierigkeitsgrad, und es kann nur in nicht bewirteten Schutzhütten übernachtet werden.